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home | news | personnel | index | articles | sites | about Die Rheinpfalz, April 7th 1992
Lyrisch, behutsam und brutal
Der britische Ausnahme-Gitarrist und Sänger Seine Musik vermag es, Ehepartner aus dem Zimmer zu treiben. Gemütliche Runden froher Trinker unterbrechen ihr Gespräch und zeigen Anzeichen gesteigerter Verwirrtheit, wenn seine Platten aufgelegt werden. Der Brite Peter Hammill darf sich deshalb ungeteilten Zuspruchs sicher sein, wenn er die Freunde seiner Musik zu einem seiner wenigen Konzerte bittet. Bei solchen Gelegenheiten, wie am Wochenende im Studentenhaus der Uni Karlsruhe, stellt sich dann jene Atmosphäre von Geborgenheit und Verständnis ein, auf die Hammill-Bewunderer gewöhnlich verzichten müssen. Hammill war Kopf der längst aufgelösten Band Van der Graaf Generator, die dem Genre des Art-Rock zugehört, dem sich in den 70er Jahren Gruppen wie Yes, Genesis oder Gentle Giant, ohne diesen Begriff zu verwenden, verschrieben hatten. Bei allen Unterschieden war der Musik dieser Bands gemein, daß sie sich kompositionstechnisch an der bürgerlichen Bildungsmusik des 19 Jahrhunderts orientierte, ausholende Formabläufe bevorzugte und durch opulente Sound-Zubereitung großorchestrale Effekte erzielte. Ungerade Taktarten, kakophonische Elemente und unverhohlen existentialistisches Pathos charakterisierten die Musik von Hammill im Band-Zusammenhang wie in den Solo-Projekten. Diese Zutaten hat der Brite bis heute zu einer unverwechselbaren Sound- und Formensprache entwickelt, die ihm als Liederschreiber mittlerweile eine Alleinstellung im "populären" Musikgenre sichert. Seine Texte weisen ihn als subjektiven, bisweilen der Sprache der Naturwissenschaften verhafteten, Beobachter menschlicher Beziehungen aus. In seinen Veröffentlichungen findet er auch immer wieder zu pointierten politischen Stellungnahmen, die freilich in ein poetisch-philosophierendes Gewand eingekleidet werden. Das Etikett Rockmusik trifft nur insofern zu, als seine Werke überwiegend von Rock-Musik-Rezipienten goutiert werden. Seiner Musik fehlen die geringsten Einsprengsel von Blues, die harmonischen Klischees der Rock und Folk und die nachsingbare Melodie. Das eingeschliffene Songschema verletzt Hammill vorsätzlich und ersetzt die behutsame Modulation durch harsche Harmoniewechsel zumeist in reinen Dur- und Moll-Mehrklängen. Lyrische Passagen werden durch brutale bruitistische Zwischenspiele und widerborstige Rhythmik pathetisch aufgeladen. Auch die für die Rockmusik stilbildende Instrumentierung auf der Basis Bass, Gitarre, Tasten, Schlagzeug, Gesang ignoriert Peter Hammill. In Karlsruhe verzichtete er ganz auf das Markieren der Schlagzeiten durch einen Schlagzeuger. David Lord spielte Keyboards, Stuart Gordon Violine, Van der Graaf-Veteran Nic Potter Bass, und Hammill wechselte zwischen elektrischer Gitarre und Keyboard. Obgleich Hammills Kompositionen für die Kenner seines Werkes stets schon nach den ersten Tönen an den melodischen Riffs erkennbar bleiben, erspart er seinem Publikum den nervtötenden ästhetischen Leerlauf, die Schallplatteneinspielungen eins zu eins im Konzert zu reproduzieren. Ältere Werke wie Just Good Friends erscheinen dann in einem neuen, höchst interessanten Licht, umso mehr, als sie im Zusammenhang mit dem neuen, lyrisch orientierten Material seiner Veröffentlichung Fireships aktualisiert und emotional umgedeutet werden. Die bisweilen weihevolle Atmosphäre seiner Konzerte bricht der begnadete Kommunikator Hammill mit seinen kurzen Zwischenansagen auf Deutsch. Daß er seinem Publikum Respekt entgegenbringt wie kaum ein anderer Performer, mag sich daran erkennen lassen, dass er die dritte Zugabe schon bei eingeschaltetem Saallicht allein auf der Bühne a capella und ohne elektronische Verstärkung gibt. © 1992 Fred G. Schütz - Die Rheinpfalz [This article was kindly deposited by the author. Thanks!] |
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